Jan Haft ist ein wunderbarer Naturfilmer, vielfach ausgezeichnet. Seine Aufnahmen faszinieren, ob es die Wiese nebenan ist mit ihren Insekten oder die Rheinfauna, Moore oder Fjorde. Er schreibt auch Bücher. Um sein neuestes, „Wildnis“, ging es nun bei seinem Besuch im Westerwald, im Stöffel-Park in Enspel.
Ein besonderer Gast kommt ins Spiel
Die Besucher:innen in der ausverkauften Alten Schmiede im Stöffel-Park erlebten einen intensiven, informationsreichen Vortrag, eine Lesung und anrührende Filmausschnitte samt Bühnengespräch.
Hier kam als besonderer Gast Dominik Eulberg ins Spiel, ein Freund und Kollege Jan Hafts, der sowohl Biologe ist als auch Produzent elektronischer Musik (Minimal Techno) und mit Jan Haft zusammenarbeitet.
Die Besucher erhielten einen bezaubernden Einblick in die Komposition von Naturfilm und elektrischer Musik anhand eines Videos.
Wie Wildnis früher aussah
Jan Haft spricht schnell, er will viel vermitteln. Zunächst geht er auf die Fauna früherer Zeiten (siehe unten) ein, um zu zeigen, was bei uns eigentlich Wildnis ursprünglich bedeutete.
Die großen Tiere prägten die Landschaft, erklärt er. Wasserbüffel, Flusspferd, Nashörner, riesige Waldelefanten (wesentlich größer als heutige Elefanten), Elche oder Riesenhirsche lebten in früheren Warmzeiten hierzulande.
Und zwar nicht in dichten Wäldern, die sowieso kaum Biodiversität böten, sondern in offeneren Flächen, die sie wiederum durch ihr Fressverhalten gestalteten.
Dickicht ist nicht das Ziel
Wer Wildnis mit einem undurchdringlichen Dickicht gleichsetzt, sieht sich hier “enttäuscht”. Jan Haft erklärt, dass auch heute Rinder oder Büffel und Pferde – extensiv und ganzjährig draußen gehalten, etwa ein Tier auf ein bis zwei Hektar – ein Segen für Biodiversität und Artenvielfalt sein können.
Sie fressen nicht alles wie ein Mähwerk nieder, sondern bereichern die Landschaft, selbst ihre Hufe schaffen kleine Lebens-/Brutorte für Insekten, und ihr wertvoller Dung (sofern das Tier nicht mit Wurmmitteln und Ähnlichem behandelt wurde) liefert Nahrung für Hunderte Fliegen und Co., die wiederum andere Tiere ernähren…
Haft hält selbst zwei Wasserbüffel im Landkreis Erding und stellt dort ein Aufblühen von Fauna und Flora fest. „Ein Mosaik an Lebensräumen bietet diese Weide“, sagt er und zeigt einige Bilder dazu.
Positive Gefühle statt Verbote
Viele Lacher ernteten Szenen, wo Frösche sich auf badenden Büffeln tummeln, um Fliegen zu fangen… Positive Emotionen werden erzeugt. So könne Naturschutz besser vermittelt werden als über Verbote, meint Dominik Eulberg.
Jan Haft zeigt als Visualisierungshilfe Gemälde aus dem 19. Jahrhundert, die parkähnliche Landschaften mit einzelnen Bäumen, großen Weidenflächen und freilaufenden Rindern abbilden. So idyllisch könnte Wildnis bei uns also (wieder) aussehen.
In Rumänien gebe es noch solche extensiv genutzten Wiesen, unter denen im Erdreich zudem große Mengen an Kohlenstoff gespeichert werden, ist zu erfahren.
Gärten alleine sind nicht die Lösung
Vielfalt braucht Vielfalt. Das gilt auch für den Garten – teilweise gemäht, dazu verwilderte Ecken … Doch der Einzelne kann hier nichts retten, da es sich um ein systemisches Problem handelt, sind sich Dominik Eulberg und Jan Haft einig. Man muss also größer denken.
Konkrete Vorschläge genannt
Dass Massentierhaltung staatlich unterstützt wird, kann Haft nicht verstehen. Er ist für weniger Energiepflanzenanbau und für mehr Fotovoltaik, dann gäbe es noch reichlich Platz für natürliche Weidehaltung. Und: Wenn jede Gemeinde zehn Prozent ihrer Fläche einbringen würde, wäre ein Biotopverbund möglich.
Ein anregender Abend
Für eine ansprechende, sympathische Moderation sorgte Johannes Schmidt, Kulturbüro der Verbandsgemeinde Westerburg, der mit Simone Brög von der Buchhandlung Logo zu dem Abend eingeladen hatte. Seine guten Kontakte zu Dominik Eulberg kamen ihm da zu Hilfe.
Das Team vom Stöffel-Park in Gestalt von Martin Rudolph und Carmen Engel hatte den Getränkeservice an dem Abend übernommen, dessen sommerlichen Temperaturen die Besucher in der Pause nach draußen lockte.
Nach gut 2,5 Stunden ging eine besondere Veranstaltung zu Ende, die viele Botschaften und Erkenntnisse mit auf den Weg gab.
Zitate als Merksätze
Als Fazit des Abends oder Merksätze könnten einige Zitate von Jan Haft dienen:
„Man sollte der Natur mehr Spielraum geben.”
“Große Tiere und kleine Pflanzen, das passt.”
“Ganzjahresweiden: Hier brummt das Leben.”
Und: “Neue Wildnis auf wilden Weiden!“
Tipp: Schöne Aussichten
Jan Hafts derzeitiges Filmprojekt beschäftigt sich mit dem Wald. Dabei arbeitet er erneut mit Dominik Eulberg zusammen. Und: Beiträge des Naturfilmers sind in der Mediathek zu finden – etwa „Biene Majas wilde Schwestern“…
Infos zum Zeitalter des Pleistozäns
Das Pleistozän (es zählt zum letzten Eiszeitalter, in dem wir uns immer noch befinden) war von Kalt- und Warmzeiten geprägt. Es begann vor rund 2,6 Millionen Jahren, etwa zu dem Zeitpunkt, als die Vergletscherung der Arktis begann. Und es endete vor knapp 12.000 Jahren; damals begann eine Warmzeit, in der wir noch heute, im Holozän, leben.
(Text und Foto: Tatjana Steindorf)