Der Andrang ist groß. Die Eintrittskarten schon länger ausverkauft. Joachim Fuhrländer ist heute Gast in der Alten Schmiede. Heinz Fischer (Westerburg) hat ihn in den Stöffel-Park geholt, um mit ihm über sein Ende 2023 erschienenes Buch „Erneuerbar“ zu sprechen.
Der Windpionier im Steilflug
Die Stimmung ist ruhig, aufmerksam. Mehr noch, die Besucher sind wie gebannt.
Der Unternehmer Joachim Fuhrländer ist seit Jahrzehnten ein Begriff im Westerwald. Er stammt aus Waigandshain und hat Windenergie zu seiner Leidenschaft gemacht. Liebenscheid war Sitz und Produktionsstätte. Die Fuhrländer AG ist schnell expandiert, bedeutende technische Neuerungen kamen dazu, internationale Geschäfte. Um 2010 war das Geschäft auf dem Höhepunkt mit rund 700 Mitarbeitern in mehr als 30 Ländern.
Angela Merkel und der chinesische Ministerpräsident warfen ihre Augen bei der Hannover-Messe auf den Windpionier. Dann folgten der Zusammenbruch und die Insolvenz. Das ist 12 Jahre her.
12 Jahre später
Nun zeigt sich der Westerwälder, der mittlerweile bei Passau lebt, in Enspel. Er ist berührt. Sieht in dem Publikum viele Weggefährten, Bekannte, ehemalige Mitarbeiter und Mitstreiter. Menschen, die er liebt, wie er sagt. Die Nähe ist fühlbar. Immer wieder fallen im Gespräch Namen, verbunden mit einem Dank.
In der Pause kaufen nicht wenige Besucher bei Simone Brög von der Buchhandlung Logo (Westerburg) ein Exemplar des neuen Druckwerks, um es gleich signieren zu lassen und ein kleines Gespräch mit dem Verfasser zu führen. Übrigens: Wie zu erfahren ist, hatte der Bonifatius Verlag, der das Buch „Erneuerbar“ herausbrachte, Joachim Fuhrländer geradezu zum Schreiben gedrängt, erzählt der frischgebackene Autor. Ein zweites soll laut Vertrag folgen. In Arbeit ist es aber noch nicht.
Allzu Menschliches
Beeindruckend ist Fuhrländers soziale Seite. Ihn interessieren Menschen, er hängt an ihnen. Und er versucht, sich in andere hineinzuversetzen. Das gilt für Geschäftspartner wie für Mitarbeiter; für junge Menschen machte er sich immer wieder stark, ist zu erfahren.
Er liest nicht sehr viel, er erzählt besser. Moderator Heinz Fischer gibt einige interessante Stichpunkte und Fragen vor, etwa wie es zur Insolvenz kam. Welchen Anteil er daran hatte…
Fuhrländer räumt Fehler ein, aber es scheint, als bliebe das Phänomen des Zusammenbruchs trotz verschiedener Erklärungen und Komponenten ein Rätsel.
Den Halt verloren
Offen spricht er über seinen persönlichen Tiefpunkt: Depression, Schlaflosigkeit, übermäßiger Alkoholkonsum. Auch die Ehe zerbrach. Alles schien verwirkt. Nichts war geblieben. Wozu aufstehen? Er hatte keine Ziele mehr.
„Auch wenn man den Halt verliert, darf man Haltung bewahren“, sagt er. Und er erlebte selbst, dass alles „erneuerbar“ ist. Große Lebenserfahrung spricht aus ihm. Er ist mit Landwirtschaft und Tieren groß geworden, packte tüchtig an, spricht gerne Platt mit Westerwäldern, wurde bereits bei seiner Arbeit als Zivildienstleistender im Altenheim mit dem Tod konfrontiert – und erkannte hier die Grenzen des Materiellen. Er ist gelernter Schmied, ein gläubiger Mensch, ein Unternehmer, er hat Dutzende Länder bereist…
Die Welt ein bisschen besser machen
„Ich wollte die Welt ein bisschen besser machen“, sagt der 64-Jährige, der privat sein Glück in Süddeutschland gefunden hat. Und er hat wieder ein neues Projekt gestartet. „Afreeca“ heißt es. Dabei gehe es darum, Technologien und Erfahrung zu transferieren, nicht um Macht, wie er betont. Dafür arbeitet er mit China zusammen. Er setzt sich dafür ein, dass beispielsweise Krankenhäuser in Ghana verlässlich mit Energie versorgt sind – mit erneuerbarer Energie, versteht sich. Das ist auf dem Kontinent, der zudem das größte Bevölkerungswachstum aufweist, besonders wichtig.
Ihn beeindruckt, wie viel Dynamik und Motivation in China und Afrika vorzufinden ist. Diese Menschen würden sagen: „I love mondays“. Und zu denen gehört er auch wieder.
(Text und Foto: Tatjana Steindorf)